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Tee und Gebäck für die Erinnerung

Pflege – Im Kreis entsteht die erste Betreuungsgruppe für türkische Demenzkranke – Schulung von Ehrenamtlichen

© echo-online

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In Babenhausen soll bis zum Frühsommer eine Betreuungsgruppe für Demenzkranke türkischer Herkunft aufgebaut werden. Es wäre die erste weit und breit. Derzeit läuft die Schulung.

DARMSTADT-DIEBURG.
Die türkische Teekanne steht mitten auf dem Tisch. Getrunken wird der Tee aus den landestypischen kleinen Gläschen. Dazu gibt es süßes Gebäck. Was nach gemütlichem Kaffeeklatsch aussieht, hat einen Hintergrund: Mit einem solchen Ritual könnte eine Betreuungsgruppe für demenzkranke Menschen türkischer Herkunft beginnen – zur Entlastung pflegender Angehöriger.

Elke Helmkamp ist Sozialpädagogin und Betreuungsfachkraft bei der Sozialstation Babenhausen/Schaafheim. Sie betreut schon jetzt Demenzangebote und wird auch die neue Gruppe zusammen mit einer ehrenamtlichen Muttersprachlerin leiten. Aus Erfahrung weiß Elke Helmkamp, wie wichtig feste Rituale sind. Mit deutschen Demenzerkrankten singt sie zu Beginn Volkslieder.

KONTAKT
Informationen gibt es beim Pflegestützpunkt in Dieburg unter 06071 881-2173 oder bei der Sozialstation Babenhausen/Schaafheim unter 06073 61615.
Wer aber einer anderen Kultur entstammt, der kann mit deutschen Volksliedern nichts anfangen.

Die Nähe zum Milieu sei wichtig, sagt Fatma Yilmaz vom Pflegestützpunkt in Dieburg. „Tee, Gebäck, Gastfreundschaft – das ist etwas, was viele kennen und sich erinnert fühlen.“ Insofern könnte so die Begrüßungszeremonie in der neuen Gruppe aussehen.
Eine vertraute Umgebung und Anknüpfungspunkte an das eigene Erinnern sind bei der Arbeit mit Demenzkranken wichtig. Die türkische Sprache spielt eine große Rolle. Wer Stück für Stück sein Wissen, seine Kompetenz und das Erlernte verliert, hat die Zweitsprache Deutsch erst recht nicht mehr parat. „Kultursensible Pflege“, so der Fachbegriff, orientiert sich an den Bedürfnissen der Menschen.
Außer Elke Helmkamp lassen sich derzeit drei Frauen für das Ehrenamt schulen. Es ist ein Pilotprojekt. Ihr sei kein vergleichbares Angebot in Hessen bekannt, sagt Fatma Yilmaz. „Es ist Pionierarbeit.“
Angedockt wird die neue Gruppe an die Sozialstation Babenhausen/Schaafheim. Dort gebe es bislang drei Mal in der Woche am Nachmittag Angebote für Demenzkranke, sagt Pflegedienstleiterin Christine Kolb. Aber eben keine für Migranten. Bis Frühsommer soll die neue Gruppe starten. „Wir wissen, dass Bedarf besteht“, sagt Christine Kolb.
Songül Toprak aus Ober-Ramstadt ist eine der drei Frauen, die sich ehrenamtlich in der Demenzbetreuung engagieren wollen. Mit Demenz hat sie schon Erfahrung – ihre Schwägerin und ihr Onkel sind daran erkrankt. Songül Toprak ist gelernte Schneiderin. Immer wieder unterstützt sie ihre Nichte in der Türkei. „Dort ist diese Krankheit nicht so bekannt“, sagt die Neunundvierzigjährige. Songül Toprak geht gerne mit älteren Menschen um. Es ist auch nicht ihr erstes Ehrenamt: Sie engagiert sich in der Begegnungsstätte Petri-Villa in Ober-Ramstadt.

Fatma Demirtas aus Nieder-Ramstadt hat keine Erfahrungen mit Demenz. Zusammen mit ihrem Mann hatte sie viele Jahre einen Kiosk. Seit zwei Jahren ist die gelernte Zeichnerin und Mutter dreier Kinder Hausfrau. „Man muss neue Sachen finden und lernen“, sagt sie.
Hava Anhan, die Dritte im Bunde, mag es, mit Menschen zu arbeiten. Schon jetzt betreut sie für die Caritas eine ältere Frau. „Ich bin ein sozialer Mensch“, sagt die Babenhäuserin. In der Schulung lernen die Teilnehmerinnen, was Demenz bedeutet und wie sie mit Demenzkranken umgehen.
Zuvor gab es drei Informationsveranstaltungen in Ober-Ramstadt, Babenhausen und Pfungstadt. Zwar hätten sich Fatma Yilmaz und Martina Müller vom Demenzservicezentrum mehr Teilnehmer gewünscht, aber: „Angebot schafft Nachfrage“, sagt Fatma Yilmaz.

Quelle:  echo-online (Link)