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Demenzbetreuung für türkischstämmige Menschen

Babenhausen – Rabia Demirci hat Rosemarie Lück gleich ins Herz geschlossen. Als sich die Sozialdezernentin neben die 83-jährige türkischstämmige Frau setzt, ergreift Demirci ihre Hand, lächelt sie an und kuschelt sich im Laufe des Nachmittags sogar an die Sozialdezernentin. Von Ulrike Bernauer

© OP-Online

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„Das ist mein schönster Termin in dieser Woche“, befindet Sozialdezernentin Lück und freut sich ebenfalls. Zu einer Premiere ist Lück gestern in das Sophie-Kehl-Haus gekommen. Hochoffiziell ist die Demenzbetreuung für türkischstämmige Menschen eingeweiht worden. Ihre Arbeit hat sie schon Anfang Juni aufgenommen, zwei Babenhäuser Bürger befinden sich bis jetzt in der Gruppe, die sich immer montags von 14 bis 17 Uhr im Sophie-Kehl-Haus trifft.

„Ich bin sehr froh, dass es diese Gruppe gibt“, sagt Hediye Demirci, die Tochter von Rabia Demirci, die schon seit mehreren Jahren an Demenz erkrankt ist. Hediye Demirci pflegt ihre erkrankte Mutter und wünscht sich noch einen zweiten Termin in der Woche. Ihr ist aber auch klar, dass das noch ein wenig dauern kann. Solange nur zwei Betreute in der Gruppe sind, ist an eine Ausweitung nicht zu denken. „Wir brauchen einen langen Atem“, sagt Fatma Yilmaz vom Pflegestützpunkt in Dieburg, die maßgeblich an der Entwicklung dieses wohl in Südhessen einmaligen Angebotes für türkischstämmige Demenzkranke mit entwickelt hat.

Krankheit, die mit Scham behaftet ist

Denn auch in diesem Kulturkreis ist die Demenz noch eine Krankheit, die mit Scham behaftet ist. Außerdem muss sich das neue Angebot erst herumsprechen, auch wenn Demirci und die ehrenamtliche Betreuerin Havia Anhan die frohe Botschaft fleißig in der Babenhäuser türkischen Gemeinde verbreiten.

Rosemarie Lück steuert Zahlen bei. 21,7 Prozent der Landkreisbewohner haben einen Migrationshintergrund, davon sind 5 170 älter als 65 Jahre. Bürgermeisterin Gabriele Coutandin spricht von einem etwas höheren Anteil in Babenhausen: „Die Einwanderer der ersten Generation kommen in die Jahre und benötigen mehr Aufmerksamkeit.“ Der höhere Anteil liege auch daran, dass sich die Firma VDO seinerzeit um „Gastarbeiter“ bemüht habe. Beide, der Arbeitgeber, wie auch die Arbeitsemigranten gingen davon aus, dass die „Gastarbeiter“ ein paar Jahre bleiben, arbeiten und dann in ihre Heimat zurück gehen.

Deshalb sahen auch viele Menschen der ersten Generation an faktischen Einwanderern keine große Notwendigkeit Deutsch zu lernen. Ein Handicap, das sich heute rächt. Hinzu kommt: Demenzkranke leben im Verlaufe der Krankheit immer mehr in ihrer Kindheitssprache und sich dann mitunter mit ihren Enkeln kaum noch verständigen können, weil die Kinder teilweise kaum noch richtig türkisch sprechen können. Rabia Demirci besuchte vorher eine Gruppe, in der außer ihr nur Deutsche waren. Dort hat sie sich nicht so richtig wohl gefühlt. Das ist jetzt anders, aber: „Wir müssen uns jetzt erst mal langsam herantasten, welche Angebote für Menschen aus einem anderen Kulturkreis sinnvoll und gut sind“, sagt Martina Müller vom Demenzservicezentrum in Groß-Zimmern.

Quelle:  OP-online (Link)